Die perfekte Unschuld by Helen Fields

Die perfekte Unschuld by Helen Fields

Autor:Helen Fields [Fields, Helen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2018-10-25T22:00:00+00:00


KAPITEL 27

Grom saß der Schülerlotsin gegenüber. Er war davon ausgegangen, dass sie verängstigt reagierte, aber ihr war entweder nicht klar, in welcher Lage sie sich befand, oder sie war der tapferste Mensch, der ihm je begegnet war. Natürlich könnte sie auch dement sein. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu fesseln. War ja nicht so, als wäre sie fit genug, um irgendwohin zu laufen.

Sein Englisch war nicht so toll, und der schottische Akzent machte es noch etwas schwerer, aber es war ihm gelungen, sich recht gut einzuleben. Edinburgh war gastfreundlicher als London. In der englischen Hauptstadt war er nur wenige Monate geblieben, ehe er weitergezogen war. Seine erste Station, nachdem er Slowenien verlassen hatte, war Polen gewesen, aber das lag ihm zu nahe an der alten Heimat. Danach hatte er es in Paris versucht, dort jedoch feststellen müssen, dass er keine Straße hinuntergehen konnte, ohne angestarrt zu werden. Er stach einfach aus jeder Menge heraus. Er war zu groß und zu breit gebaut. Und in Paris schienen die Menschen schon von Weitem zu erkennen, dass er kein Franzose war. Sogar inmitten von Immigranten fühlte er sich fehl am Platz. Aber das Vereinigte Königreich war von Wasser umgeben. Für ihn war es, als hätte ihn die Überfahrt mit der Fähre aus seinem alten Leben herausgelöst. Endlich hatte das Gerenne ein Ende. Und dann hatte sich ihm wie von selbst eine Gelegenheit eröffnet. Er hatte in Birmingham gelebt, als man ihn auf die Website aufmerksam gemacht hatte. Birmingham beherbergte eine Menschensuppe, in der sich alles mischte und zusammendrängelte. Dort hatte er sich frei gefühlt zu tun, was immer er wollte, zu experimentieren.

Grom, der eigentlich Alfonz Kopitar hieß, stammte aus dem Gebirge. Ein Junge vom Lande, der mit seinem Vater und seinem Bruder aufgewachsen war, stets das Opfer ihrer Scherze, stets der Schuldige, wenn irgendetwas nicht nach ihrem Willen lief. Wenn sie ihn doch nur jetzt sehen könnten – er reiste durch die Welt, wurde von vielen gefürchtet und verehrt von den wenigen, die wirklich zählten.

»Lotsin«, sagte Grom und spuckte speichelgetränkte Bröckchen des Sandwiches aus, mit dem er sich vollstopfte. »Du Hunger?«

»Tier«, antwortete die Schülerlotsin. Grom verstand sie besser, wenn sie jedes Mal nur ein Wort sagte. Zu Beginn hatte sie endlos auf ihn eingeredet, was für ihn größtenteils schleierhaft geblieben war.

»Du essen, wenn ich sage«, blaffte Grom und warf den Rest seines Sandwiches quer durch den Raum. Es prallte am Rand des Mülleimers ab und klatschte auf den Boden. Aber das musste ihn nicht kümmern. Er würde, noch ehe die Woche zu Ende war, genug Chaos in diesem Raum hinterlassen, wozu sollte er sich dann Gedanken über ein paar Essensreste machen? Er war der Boss. Niemand konnte ihm sagen, was oder wie er zu essen hatte. Anders als damals, als er bei seinem Vater gelebt hatte, der ihn, wenn er Essen verschüttet hatte, über den Boden geschleift und gezwungen hatte, es von den geborstenen Fliesen zu lecken wie ein Köter.

»Ich muss zur Toilette«, sagte die Schülerlotsin.

»Du gerade dort«, gab Grom zurück.



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